Sektion 10: Objektdigitalisierung: Methoden und Perspektiven
Donnerstag, 28. März 2019, 11:45–12:15 Uhr, ZHG, Hörsaal 105
Linda Freyberg, Lüneburg/Potsdam / Sabine de Günther, Berlin

Morphologische Anordnung als Erkenntnismittel – Digitale Methoden zur Erschließung einer kulturgeschichtlichen Sammlung

Die Möglichkeiten der Digitalisierung, der inhaltlichen Erschließung sowie der Visualisierung und der daraus gewonnenen Erkenntnisse werden am Beispiel einer webbasierten Forschungsinfrastruktur aufgezeigt. Diese wurde entwickelt, um eine multidisziplinäre Perspektive auf den Forschungsgegenstand, die Lipperheidesche kleiderwissenschaftliche Quellensammlung, einnehmen zu können. Die Forschungsinfrastruktur beschreibt und dokumentiert ein Konvolut, bestehend aus insgesamt 600 Bildwerken des 15. bis 19. Jahrhunderts, den Kontext zu weiteren Bildträgern, überlieferter historischer Kleidung und Schriftquellen. Die Interpretation von Bild- und Schriftquellen für die Kleiderforschung und der Vergleich zu textilen Artefakten in einer 3D-Ansichtigkeit reflektiert gleichermaßen die bildgebenden Verfahren im 2D und 3D-Format.
Eine ausführliche inhaltliche Beschreibung der Objekte sowie Objekt-Digitalisate (hochauflösend, multiperspektivisch, kunsttechnologisch) bilden hierbei die Datenbasis in Form einer SQL-Datenbank. Die Objekte wurden auf Metadaten-Ebene strukturell kontextualisiert und bilden somit Wissensmorphologien, auf die mittels Schlagwortsuche und kontrollierter Vokabulare (DNB/GND, TGN, Iconclass) zugegriffen werden kann. Die Fachterminologie für historische Kleidung und Tracht jedoch beinhaltet regionen- und zeitspezifische, teils unpräzise Bezeichnungen, die nicht angemessen mit bestehenden Kleider-Thesauri oder Iconclass beschrieben werden können. Hinzu kommt die Problematik einer relativ „flachen“ Erschließungsmöglichkeit von dargestellter Kleidung. Eine detailgetreue Beschreibung jedoch stellt die Basis für die Interpretation der Zeichen- und Symbolhaftigkeit der dargestellten Kleidung dar.
Einen weiteren Zugang auf die Objekte bieten Visualisierungen, die nach auszuwählenden Aspekten die Bildwerke ordnend präsentieren. Diese Abstraktion der Objekte in übergeordnete Dimensionen erlaubt es, konkrete Forschungsfragen zu beantworten. Eine solche Entlehnung von naturwissenschaftlichen Methoden dient der digitalen kunsthistorischen Forschung zunehmend als Erkenntnismittel. Durch die semantische Kontextualisierung der Objektdaten und die Erweiterung des digitalen Bildrepertoires werden multiperspektivische Zugänge unterschiedlicher visueller Granularitäten auf die Kulturobjekte ermöglicht. Neben der Pluralität visueller Repräsentationen spielen die materielle Codierung sowie symbolische Facetten eine Rolle.
Kurzbiografie Linda Freyberg
2010–2013Mitarbeiterin im Projekt „dimekon“, CMS der Humboldt-Universität zu Berlin
2011Magisterabschluss in Bibliothekswissenschaft und Kunstgeschichte, Berlin
2014–2017Projektkoordination „mylibrARy“ am Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam
seit 2014Dozentin an der FH Potsdam und TH Köln zu den Themen Augmented Reality und Smarte Bibliotheken
seit 2015Redakteurin der Zeitschrift LIBREAS. Library ideas
seit 2016Stipendiatin des „Professorinnenprogramms“ des Landes Brandenburg am Urban Complexity Lab der FH Potsdam
seit 2016Doktorandin am Promotionskolleg „Wissenskulturen / Digitale Medien“ der Leuphana Universität Lüneburg (Arbeitstitel: „Iconicity in Information“)
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Diagrammatik; digitale Wissensorganisation; Semiotik (Schwerpunkt: Charles Sanders Peirce); Visualisierung
Publikationsauswahl
  • Das Konzept Informationskompetenz. Ein Beitrag zur theoretischen und praxisbezogenen Begriffsklärung, Berlin 2011.
  • (mit Sascha Freyberg) Diagrammatik und Wissensorganisation, in: LIBREAS. Library Ideas Jg. 8 H. 2 (21), 2012.
  • Density of Knowledge Organization Systems, in: Proceedings of Wissensorganisation 2017. 15. Tagung der Deutschen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Wissensorganisation (ISKO), WissOrg’17 / Freie Universität Berlin, 2018, S. 25–30.
  • Iconicity as Simultaneous Plurality – Beyond the restraints of formal knowledge organization systems, in: Elize Bisanz (Hg.), Charles S. Peirce. Bridging the Disciplinary Boundaries of Natural Sciences and Humanities, Frankfurt 2018.
Kurzbiografie Sabine de Günther
1997Magister in Kunstgeschichte, Medienwissenschaften und Romanischer Philologie, Universität Marburg
seit 1997freiberufliche Tätigkeit als Kunsthistorikerin
2013–2016Wiss. Mitarbeiterin am Exzellenzcluster „Bild Wissen Gestaltung“, Humboldt-Universität zu Berlin, Projekt: „Mehrdimensionale Sammlungserschließung“
seit 2015Doktorandin an der HU Berlin (Arbeitstitel: „Die kostümkundliche Gemäldesammlung des Franz von Lipperheide – Sammlungsgenese, Konzept und Kontext im späten 19. Jh.“)
2015Konzeption und Durchführung der Tagung „Bildgenese in den Wissenschaften. Zur praktischen Bilderzeugung und ihrer theoretischen Rekonstruktion“
2015–2016Lehre am Institut für Kunst- und Bildwissenschaften, HU Berlin: „Bild und Kleid – Zur Bedeutungsmetamorphose der Gewandung in Malerei und Skulptur“
2016Teilnahme am Summer Institute „Digital Collections. Neue Methoden und Instrumente digitaler Kunstgeschichte“, Zürich/Lausanne, ETH Zürich, Getty Research Institute
2016Konzeption und Durchführung der Tagung „Zeichen und Symbole. Kleidung zwischen Bild und Realie“
2018Stipendiatin am Exzellenzcluster „Bild Wissen Gestaltung“, HU Berlin
2018Teilnahme an der Digital Art History Summer School „Data-Driven Analysis and Digital Narratives“, Malaga, Depto. Universidad de Málaga und University of Berkeley, California
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kleiderforschung; Modewissenschaften; digitale Kunstgeschichte; Wissenschaftsgeschichte; Druckgrafik des 18. und 19. Jh.s
Publikationsauswahl
  • Beiträge zur expressionistischen Bildsprache im Plakat, in: Anita Kühnel und Ernestine Bennersdorfer (Hgg.), Verführungen: Plakate aus Österreich und Deutschland von 1914 bis 1945, Wien 1998.
  • Der Regency-Dandy, in: Adelheid Rasche und Gundula Wolter (Hgg.), Ridikül! Mode in der Karikatur 1600 bis 1900, Berlin 2003.
  • (Hg. mit Philipp Zitzlsperger) Signs and Symbols. Dress at the Intersection between Image and Realia, München 2018.