Sektion 6: Das Kunstwerk im Spannungsfeld von Kultur und Märkten
Freitag, 29. März 2019, 10:15–10:45 Uhr, ZHG, Hörsaal 104
Adrian Grimm, Heidelberg

Giger, Kunst und Celtic Frost

Was sind Plattencover? Was haben sie mit dem Kunstmarkt zu tun? Wer stellt ihr Artwork bereit und welche ökonomischen, rechtlichen sowie ästhetischen Voraussetzungen und Aushandlungsprozesse spiegeln sich in diesem wider? Das Problem soll am Beispiel der Band Celtic Frost illustriert werden, die schon in ihrer Anfangszeit brieflichen Kontakt zum Künstler und Designer H. R. Giger aufnahm. Für ihr Album „To Mega Therion“ (1985) räumte er der Band schließlich die Nutzungsrechte zu „Satan I“ ein, einem Gemälde Gigers von 1977 mit Teufel und Jesus als dessen Zwille. Die Ikonografie dieses Gemäldes scheint wie geschaffen zu sein für eine Band, deren düstere Musik in der Tradition Black Sabbaths und Motörheads verschiedene Genres wie Death Metal mitgeprägt hat. Es scheint auch wie geschaffen zu sein für eine Band, deren Mastermind Tom G. „Warrior“ Fischer seine Musik als Gesamtkunstwerk zu konzipieren versucht(e).
Wie kamen Fischer und Giger, berühmt für seinen Beitrag zu Ridley Scotts „Alien“ (1979) wie auch für sein Wirken als Kreativakteur der Postmoderne zwischen Design, Handwerk und Kunst, zusammen? Diese in sich vielschichtige Frage wird anhand des hierzu maßgeblichen Artwork von „To Mega Therion“ diskutiert. Welche Voraussetzungen gab es? Welche Rolle spielte Zielgruppenorientierung? Wie kam der Transfer des Gemäldes „Satan I“ vom Kontext des Kunstmarktes in den des Musikmarktes zustande? Welche ökonomischen und urheberrechtlichen Fragen warf er auf?
Methodisch ist es notwendig, Musik, Cover und Artwork getrennt zu betrachten, ohne dabei die Einheit der Einzelkomponenten aus den Augen zu verlieren, als die das Medienbündel Tonträger anzusehen ist. Durch diese Entwirrung soll sichtbar gemacht werden, wie Kunst- und Musikmärkte aneinander andocken können bzw. Güter aus beiden Kultur- und Kulturwirtschaftsbereichen in den jeweiligen anderen Kontext transferiert werden. Dass das Artwork von einem Künstler stammt, war zwar 1985 nicht neu, jedoch auch nicht der Normalfall. Der Fall „Giger, Kunst und Celtic Frost“ bezieht sich daher ebenso auf die intermediale Praxis Gigers. Eine historische Perspektive ist dabei unumgänglich, da sonst Plattencover und Artwork vor der Informationsflut des Internet nicht verstanden werden: Ästhetische Aspekte und ökonomische Funktionen verwoben das Artwork zu einem verkaufsfördernden Eyecatcher, wodurch sie auch Produkte einer Medienkunst sind, die es als Objekte der materiellen Kultur zu historisieren gilt.
Kurzbiografie Adrian Grimm
2009–2013Studium der Geschichte und Musikwissenschaft in Heidelberg (Bachelorarbeit über „Krautrock“ als historische Perspektive auf 1968)
2013–2016Studium der Geschichte in Heidelberg (Masterarbeit: „Der Historiker als Intellektueller. Das Verantwortungsproblem von Historikern in theoretischer und historischer Hinsicht“)
seit 2017Promotion in Geschichte an der Universität Heidelberg über Virtuosität als wirtschaftliches und kulturelles Phänomen im ausgehenden 20. Jahrhundert
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Soziale und kulturelle Bewegungen im 20. Jh.; Sub- und Gegenkulturen der 1960er bis 1990er Jahre; Musik und Kunst als Quellen und historische Perspektiven; Wissenschaftsgeschichte