Samstag, 30. März 2019, 9:00–15:45 Uhr, ZHG, Hörsaal 105

Provenienzen der Dinge. Zur Rezeption von Objektbiografien

Leitung: Ulrike Saß, Bonn / Christoph Zuschlag, Bonn

Die Sektion thematisiert die untrennbare Verflechtung des Objekts mit seiner Eigentums- und Besitzgeschichte. Im Zentrum stehen drei voneinander abhängige Fragen: Welche materiellen Spuren der verschiedenen Besitzer lassen sich in und auf dem Objekt selbst ausfindig machen? Wie wirkt sich die Provenienz eines Objekts auf dessen monetären wie ideellen Wert aus? Wie beeinflusst die Eigentums-, Ausstellungs- und Diskursgeschichte eines Objekts dessen Rezeption als Kunst- und Kulturgut sowie seine Wahrnehmung bei privaten und öffentlichen Sammlern?
Die Provenienzforschung rückt zunächst das Objekt als Untersuchungsgegenstand wieder stärker in den Fokus der Forschung. Das sollte jedoch nur Start- und nicht Endpunkt von wissenschaftlichen Untersuchungen sein. So werden in den Beiträgen der Sektion Überlegungen und Ergebnisse präsentiert, in denen aus der Provenienzforschung ein Erkenntnisgewinn für umfassendere Fragestellungen resultiert. Adrien Palladino untersucht, wie die verschiedenen Besitzkontexte eines spätantiken Elfenbeinkästchens dessen Funktion, Wahrnehmung und äußeres Erscheinungsbild modifizierten. Fabienne Huguenin und Kathrin Kleibl problematisieren den schwierigen Umgang mit Objekten aus wissenschaftlichen Sammlungen in heutigen Museen. Sheila Heidt referiert über methodische Überlegungen zur Provenienzforschung bei Entzügen im Kontext des Kolonialismus, für den noch immer anerkannte Leitlinien und wichtige Grundlagenforschung fehlen. Gail Levin und Antoinette Maget Dominicé fragen dagegen, inwiefern die Eigentums- und Besitzgeschichte Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Objektes haben kann. Levin zeigt dies an der durch räuberische Entwendung, Vertuschung und Dokumentenfälschung geprägten Provenienzgeschichte eines Gemäldes von Edward Hopper. Maget Dominicé hinterfragt die Gedächtnisdimension von Kulturgütern, indem sie der Frage nachgeht, durch welche Faktoren deren identitätsstiftender Charakter beeinflusst wird.

Kurzbiografie Ulrike Saß
2003–2009Studium der Kunstgeschichte und Klassischen Archäologie in Leipzig und Bologna (Magisterarbeit: „Werner Tübkes ‚Der Mensch – Maß aller Dinge’. Ein ganz privates – staatliches Auftragswerk?“)
2010–2011Wiss. Volontariat am GRASSI Museum für Angewandte Kunst in Leipzig
2011–2014Sächsisches Landesstipendium (Promotion) am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München
2015–2017Wiss. Mitarbeiterin an der Hamburger Kunsthalle im DZK-Projekt „Provenienzforschung Skulptur“
2016Promotion an der Universität Leipzig („Die Galerie Gerstenberger. Markt, Kunst- und Museumspolitik während der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus“)
seit 2018Juniorprofessorin für Kunsthistorische Provenienzforschung am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Provenienzforschung; Kunstmarktforschung; Kunstrezeption; Geschichte des Sammelns und der Geschmacksbildung im 20. Jh.; Kunst in der DDR
Publikationsauswahl
  • Der Kunstdienst der Evangelischen Kirche in der DDR, in: Regine Heß et al. (Hgg.), Kirche und Kunst. Kunstpolitik und Kunstförderung nach 1945 (Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft 14), Göttingen 2012, S. 55–68.
  • Wilhelm Grosshennig – 70 Jahre Leben als Galerist, in: Marietta Mautner Markhof et al. (Hgg.), Kirchner, Heckel, Nolde – Die Sammlung Werner, Ausstellungskat. Albertina 2012, Wien 2012, S. 18–23.
  • „Neue Zeiten fordern neue Orientierungen.“ Der Ausverkauf von Kunstwerken aus städtischem Museumsbesitz nach 1933 am Beispiel Chemnitz, in: Uwe Fleckner et al. (Hgg.), Markt und Macht. Der Kunsthandel im „Dritten Reich“, Berlin/Boston 2017, S. 323–353.
Kurzbiografie Christoph Zuschlag
1984–1991Studium der Kunstgeschichte, Geschichte, Klassischen und Christlichen Archäologie in Heidelberg und Wien (Grund- und Promotionsförderung durch die Studienstiftung)
1991Promotion an der Universität Heidelberg („‚Entartete Kunst‘ – Ausstellungsstrategien in Nazi-Deutschland“)
1991–1998Wiss. Mitarbeiter bzw. Assistent am Kunsthistorischen Institut der Universität Heidelberg
1998–2001Habilitationsstipendium der DFG
2002Habilitation an der Universität Heidelberg („Meta-Kunst – Kunst über Kunst seit 1960“)
2003–2006Wiss. Mitarbeiter an der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin, verbunden mit einem Lehrauftrag
2007–2018Professor für Kunstgeschichte und Kunstvermittlung an der Universität Koblenz-Landau
2008–2014Mitglied des Beirats der Arbeitsstelle für Provenienzforschung am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz
seit 2015Mitglied des Förderbeirats des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg
seit 2018Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Professur für Kunstgeschichte der Moderne und der Gegenwart (19.–21. Jh.) mit Schwerpunkt Provenienzforschung / Geschichte des Sammelns an der Universität Bonn
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kunst der Moderne und der Gegenwart; das Informel und seine Stellung in der Kunst des 20. Jh.s; Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus; „Entartete Kunst“, NS-Raubkunst, Beutekunst; Provenienzforschung und Sammlungsgeschichte
Publikationsauswahl
  • „Entartete Kunst“. Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland, Worms 1995.
  • Irmgart Wessel-Zumloh (1907–1980). Malerin jenseits der Stile. Monographie und Werkübersicht, Köln 1999.
  • (Bearb.) Tendenzen der abstrakten Kunst nach 1945. Die Sammlung Kraft Bretschneider in der Stiftung Kunst und Recht, Tübingen, Heidelberg 2003.
  • (Idee, Konzept, Künstlerische Leitung) Apocalypse Now! Visionen von Schrecken und Hoffnung in der Kunst vom Mittelalter bis heute, Ausstellungskat. Kaiserslautern 2014/15, München 2014.
  • (Hg. mit Gisela Moeller) Jugendstil in der Pfalz, Petersberg 2017.