Die Beschäftigung mit dem Artefakt als einem „gegebenen“ Unikat zählt zu den verbreiteten Ansätzen in der universitären und musealen Forschung. Kunstwerke oder Gegenstände werden als Einzelobjekte untersucht, ausgestellt, inventarisiert oder restauriert. Diese Sichtweise unterschlägt jedoch, dass viele Artefakte im Laufe ihrer Objektbiografie keineswegs isoliert, sondern als Teile größerer Gruppen angesehen wurden. Druckgrafische Blätter oder Zeichnungen wurden zu Klebebänden zusammengestellt, Gemälde als Pendants gesammelt und gehängt, Werke der Schatzkunst zu unveräußerlichen Hausschätzen kombiniert oder Goldschmiedewerke zu ephemeren Schaubuffets arrangiert. Auch die museale Praxis kennt Phasen der Konvolutbildung über Gattungsgrenzen hinweg, etwa wenn eine „Bauernstube“ nach Idealvorstellungen des 19. Jahrhunderts eingerichtet wird oder ein Ausstellungskurator Artefakte thematisch in Sonderausstellungen versammelt.
Die Sektion fragt nach den wissenschaftlichen Chancen und Problemen bei der Untersuchung von Objektkonvoluten. Nicht nur die Motivation des Konvolutbildners, sondern auch die Rolle des Objekts selbst, das seine Auswahl durch seine Objektbiografie provoziert, rücken in den Blick. Wie kommt es zur Zusammenstellung unterschiedlicher Objekte zu Gruppen, wie ändert sich die Bedeutung des einzelnen Objekts durch diese Zuordnung, wie lange haben diese Ensembles Bestand, wer akzeptiert oder bewahrt und wer dekonstruiert sie und warum? Welche Rolle spielen Wissenszuwachs, Interpretationsverschiebungen oder Irrtümer?
Die Sektion fragt über die museale Sammlungsgeschichte hinaus nach den aktiven Prozessen der Gruppenbildung und deren Auswirkungen auf die Entstehung von Objektbiografien. Dabei werden sowohl die Konvolutbildung als auch die durch Entnahme einzelner Werke entstehende Fehlstelle in sakralen oder weltlichen Räumen in den Blick genommen.