Sektion 4: Konvolut – Ensemble – Objektkollektiv
Samstag, 30. März 2019, 9:30–10:00 Uhr, ZHG, Hörsaal 009
Amrei Buchholz, Hamburg

Zwischen den Objekten. Zur kunsthistorischen Analyse von Artefakten als Teil einer Gruppe

Dass bislang wenige kunsthistorische Überlegungen zum Artefakt als Teil einer Gruppe vorliegen, lässt sich auf eine bis in die Anfänge des Fachs zurückreichende Tradition zurückführen, nach der vor allem Einzelwerke zentral gestellt wurden. Sollen nun Objektgruppen in den Blick genommen werden, wird die Analyse dadurch erschwert, dass das kunsthistorische Methodenrepertoire nur unzureichende Antworten liefert, um das Miteinander von Objekten zu analysieren. Der Beitrag setzt sich mit dieser Problematik auseinander, indem er den aktuellen Theorierahmen zum Thema skizziert und auf dieser Basis das heuristische Potential von Mehrobjektanalysen diskutiert.
In der jüngeren Forschungsliteratur nähern sich etwa Wolfgang Kemp, David Ganz oder Felix Thürlemann aus unterschiedlichen Perspektiven der Fragestellung, auf welche Weise Artefakte in ihrer Kombination zu spezifischen Aussagen gelangen. Die Reihe Bild+Bild (Reimer) trägt seit 2010 Fallbeispiele zum Thema zusammen. Erste übergeordnete methodische Reflexionen (u. a. von Michael Müller) betonen, dass es notwendig ist, den Blick neu zu justieren und auf den Zwischenraum zu richten, der sich in systematischen Gruppierungen zwischen den Objekten auftut. Der Fokus der Betrachtung verschiebt sich so von den Relata, d. h. den einzelnen Objekten, auf ihre Relationen, d. h. ihr Verhältnis zueinander. Horst Bredekamp lieferte mit den „visuellen Brücken“ einen ersten Ansatz, um – bezogen auf die Anordnung in Kunstkammern – heuristisch fruchtbare Verknüpfungen zwischen heterogenen Objekten zu beschreiben.
Anhand von Fallbeispielen erläutert der Beitrag, dass Kombinationen von Objekten eine spezifische Argumentationsfähigkeit eröffnen, die im Fokus auf das Einzelobjekt schnell übersehen werden kann, denn in Objektgruppen lassen sich auch heterogene Wissensbereiche und Darstellungsformate verknüpfen. Verschiedene Aspekte können so aufeinander bezogen und vor allem gleichzeitig verhandelt werden (etwa Konkretion und Abstraktion). Werden Artefakte als Teil von Gruppen besehen, sind insofern auch grundlegende Fragen der Bildkritik aufgerufen. Komplementäre Kriterien schließen sich nun nicht mehr notwendigerweise aus, die für die Analyse von Einzelobjekten galten. In den Zwischenräumen der Objekte geraten so tradierte Kriterien wie Statik vs. Bewegung oder Raum vs. Zeit ins Wanken, aber auch solche, die erst von jüngeren Positionen vorgeschlagen wurden, wie etwa Faktisches vs. Konjunktivisches.
Kurzbiografie Amrei Buchholz
2003–2011Studium der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Lateinamerikanistik in Berlin, Madrid und Buenos Aires (Magisterarbeit: „Kunsttheorie im literarischen Diskurs. Franz Kuglers Korrespondenz mit Paul Heyse“)
2011–2014Stipendiatin des DFG-Graduiertenkollegs „Sichtbarkeit und Sichtbarmachung“, Universität Potsdam; Promotion zum Thema „Alexander von Humboldts Modell der Erdkruste. Verknüpfendes und vergleichendes Sehen im ‚Atlas du Nouveau Continent‘“
seit 2014Wiss. Mitarbeiterin (Postdoc) am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg DFG-Forschungsprojekt „Glokalisierungsprozesse in der Ordenskunst der Frühen Neuzeit“ (Unterprojekt 2: „Die Jesuitenreduktionen“)
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Bild-Text- und Bild-Bild-Verhältnisse; Kartografie; Wissensgeschichte des Bildes im 18. und 19. Jh.; lateinamerikanische Kunstgeschichte des 17. bis 19. Jh.s
Publikationsauswahl
  • Bewegte Ekphrasen. Lebende Gemälde in Derek Jarmans „Caravaggio“, in: kunsttexte.de 1 (2012).
  • The Tipping Point of Mimesis, in: Margit Kern und Klaus Krüger (Hgg.), Transcultural Imaginations of the Sacred (Berliner Schriften zur Kunst), München 2018 (im Erscheinen).
  • Die Welt in Blicken erkunden. Geographische Erdmodellierungen bei Alexander von Humboldt und in Google Earth, in: Felix Lenz und Christine Schramm (Hgg.), Von der Idee zum Medium (Inter/Media), München 2018 (im Erscheinen).
  • Transversalkommentar 11: Geographie und Kartographie, in: Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich (Hgg.), Alexander von Humboldt, Sämtliche Schriften (Aufsätze, Artikel, Essays), Berner Ausgabe: Transversalkommentare, erscheint München 2019.