Sektion 3: Modell-Architektur und Dominanzkultur
Donnerstag, 28. März 2019, 14:00–14:30 Uhr, ZHG, Hörsaal 008
Jasmin Kruse, Marburg

Zu Besuch im Tempel – Ausstellungsgestaltung ägyptischer Sammlungen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts

Etwa zwischen 1800 und 1850 entstanden in Westeuropa nicht nur umfangreiche Sammlungen ägyptischer Artefakte, sondern auch teilweise prächtig ausstaffierte Museen, um diese öffentlich zu präsentieren. Die Ägyptologie beschäftigte sich bisher vorrangig mit deren einzelnen Objekten, ohne ihrer historischen Präsentation größere Beachtung zu schenken; von kunsthistorischer Seite wurden die bildkünstlerischen Methoden ihrer Inszenierung im 19. Jahrhundert derweil als kurzlebige Exotismen vorrangig dekorativer Natur charakterisiert. Mit der erneuten Aktualität und der Aufarbeitung früherer Ansätze zur Global Art History ist aber gerade jetzt ein Zeitpunkt gekommen, um auch die Frühzeit der Ägyptologie und ihre Relevanz für kunsthistorische Fragestellungen zu überdenken. Der Ausgestaltung der Sammlungen durch ägyptisierende Wandmalereien, skulpturale und architektonische Elemente aus der ägyptischen Kultur kann beispielsweise eine tiefere Bedeutung als Quelle wissenschaftlicher Informationen und als Projektionsfläche für die Suggestionen intellektueller und politischer Eliten dieser Zeit beigemessen werden. Daher soll ein vergleichender Blick auf die künstlerische Ausstattung früher ägyptischer Ausstellungen als zentrales Element der visuellen Kommunikation zeigen, wie diese zur Darstellung des zeitgenössischen wissenschaftlichen Fortschritts, sowie der gezielten Repräsentation von Ansprüchen der Sammler und Museumsstifter genutzt wurden. Wichtig ist dabei nicht nur die Betrachtung lokaler Singularitäten in unterschiedlichen Museen, sondern auch die Ermittlung von Überschneidungen, Bezugnahmen, grenzüberschreitenden Entwicklungslinien und inhaltlichen Ansprüchen der Institutionen und ihrer Akteure. Herangezogen werden sollen die ägyptischen Sammlungen in Paris (gegründet 1829), Rom/Vatikan (1839) und Berlin (1822/50), um exemplarisch nachzuvollziehen, wie die Schaffung einer optisch ansprechenden Umgebung bewusst als mehrschichtiger Bedeutungsträger gestaltet wurde, aus dem heute Aussagen über das Ägyptenbild und dessen Instrumentalisierung in der westlichen Kultur des 19. Jahrhunderts abgeleitet werden können. Die Ausstellungsarchitektur avancierte in diesen Museen ganz oder teilweise selbst zum Ausstellungsstück, welches sich als Modell ausdeuten lässt, das dem Betrachter konkrete Räume, landschaftliche Vorstellungen und ideologische Ansprüche aufdrängte, und dessen umfassende Analyse unter diesen Gesichtspunkten bisher noch aussteht.
Kurzbiografie Jasmin Kruse
2010–2017Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Architekturwissenschaft in Dresden
2018Absolventenpreis der Philosophischen Fakultät der TU Dresden 2017
seit 2018Doktorandin (Arbeitstitel: „Ägypten im Spiegel der Kunstgeschichte in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts“)
seit 2018Wiss. Hilfskraft im Bildarchiv Foto Marburg, Schwerpunkt: Fotokampagnen für den Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Architektur des 15.–17. und 19. Jh.s; Mechanismen der Antikenrezeption; Geschichte der Kunstgeschichte im 18. und 19. Jh.
Publikationsauswahl
  • (mit S. Bürger, F. Schmidt und C. Storz) Grablege, Moritzmonument und Nossenichor als Finale der frühneuzeitlichen Domerzählung, in: Stefan Bürger (Hg.): Der Freiberger Dom, Wettin-Löbejün 2018, S. 134–181.