Sektion 9: Objekt oder Werk? Für eine Wissensgeschichte der Kunst
Donnerstag, 28. März 2019, 14:45–15:15 Uhr, ZHG, Hörsaal 009
Carina Dauven, Köln / Kristina Engels, Köln

Von objektbasierten Analysen zum erweiterten Werkverständnis: Eine Materialeigenschaftenstudie der Fotografien August Sanders

Gerade in seiner frühen Schaffenszeit benutzte der epochemachende Fotograf August Sander weder ein homogenes fotografisches Material, noch bediente er sich eines einheitlichen technischen Aufnahmeverfahrens. Vielmehr ist sein Werk von Diskontinuitäten gezeichnet, die beizeiten der Tatsache geschuldet sind, dass schlichtweg mit den Materialien, also Fotopapieren, Chemikalien und Apparaten gearbeitet werden musste, die verfügbar und zugänglich waren. Vor allem jedoch entsprang diese Vielfalt einer großen Lust am Experimentieren und einer künstlerischen Auseinandersetzung mit den spezifischen Qualitäten unterschiedlicher Verfahren und Materialien. Diese Herangehensweise beschränkt sich nicht nur auf fotografische Prozesse, sondern wird auch im Handling der Abzüge deutlich: Das Werk Sanders weist ein breites Spektrum an Montagetechniken und Zuschreibungsstrategien auf, das darauf wartet, entschlüsselt zu werden.
Waren die Spezifika und Merkmale unterschiedlicher fotografischer Verfahren und die Kennzeichnungsstrategien des großen Fotografen bisher nur sekundäres Beschreibungskriterium im Werk August Sanders, rücken sie nun ganz in den Fokus und werden zum genuinen Untersuchungsgegenstand: In einer objektbasierten Materialeigenschaftenstudie der Fotografien August Sanders wird ein umfassender Werkzeugkasten generiert, der nicht nur eine restaurierungswissenschaftliche und verfahrenstechnische Analyse der von Sander verwendeten fotografischen Materialien, Verfahren und Kennzeichnungsstrategien leistet, sondern darüber hinaus eine Kontextualisierung der Befunde in der fotohistorischen Aufarbeitung der Person August Sanders anstrebt. Als praktisches Wissen können diese Informationen sowohl dem Kunstmarkt als auch dem Wissenschaftsbetrieb zur Identifizierung, Klassifizierung, Datierung und Wertbestimmung der Fotografien Sanders dienen. In unserem Beitrag möchten wir einen Einblick in die Entschlüsselung des Objekts – dem fotografischen Abzug im Spannungsfeld von chemisch-technischen Parametern und künstlerischer Autorenschaft – geben und eine Perspektive auf ein neues, objektbasiertes Werkverständnis August Sanders eröffnen.
Kurzbiografie Carina Dauven
2011–2018Studium der Kunstgeschichte, Kulturgutsicherung und Europäischen Ethnologie in Bamberg und Köln (Masterarbeit: „Modalitäten des Selbst. Porträtkonzeptionen in der fotografischen Handbuchliteratur von 1839–1869“)
2015–2017Wiss. Hilfskraft am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln
seit 2018Wiss. Hilfskraft im Research Lab Transformations of Knowledge der a.r.t.e.s Graduate School for the Humanities Cologne
seit 2018Wiss. Mitarbeiterin bei der August Sander Stiftung Köln
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte (Frühe) Porträt- und Atelierfotografie (Fotogeschichte und -theorie); diskursives Schreiben über Fotografie (Fototheorie); Strategien der Vergegenständlichen des Subjekts in der Fotografie; französische Malerei und Fotografie des 19. Jh.s; konservatorische Aspekte im Umgang mit Fotografien
Publikationsauswahl
  • Indizien, Spuren und die Fotografie. Rezension zur Anthologie „Wolf, Herta (Hg.), Zeigen und/oder beweisen? Die Fotografie als Kulturtechnik und Medium des Wissens“, in: Hubertus Lochner (Hg.), Rundbrief Fotografie, Vol. 24, 4/2017, S. 52–54.
  • Porträtieren als angewandte Wissenschaft. Die Auseinandersetzung mit den Bedingungen des fotografischen Porträts in der Handbuchliteratur von 1839 bis 1869, in: Herta Wolf (Hg.), Fotogeschichte, im Druck.
Kurzbiografie Kristina Engels
2004–2010Studium der Kunstgeschichte, Volkskunde und Geschichte in Bonn (Magisterarbeit: „Transatlantischer Transfer zeitgenössischer Ausstellungskonzepte am Beispiel der Ausstellung ‚Bauhaus 1919–1938‘ im Museum of Modern Art, New York 1938“)
2010–2017Promotion an der Universität Bonn („Writing Bauhaus History? Barr, Gropius und das transatlantische Museum“)
2013–2016Projektkoordinatorin für die „Datenbank kritischer Werke“ des Bundesverbandes deutscher Kunstversteigerer (BDK)
seit 2017 Wiss. Leitung der August Sander Stiftung Köln
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kunst der europäischen Avantgarde und Moderne; Museums-, Ausstellungs- und Sammlungsgeschichte der Moderne; Fotografie mit Schwerpunkt Weimarer Republik; Kunstfälschung
Publikationsauswahl
  • Approaching the Bauhaus Heritage: A comment on the new Bauhaus museum in Dessau, Germany, in: Anne-Marie Bonnet (Hg.), Whose Heritage? floorplan papers #1, Bonn 2017.
  • Bauhaus und Amerika. Eine neue Welt gestalten, in: Es war einmal in Amerika. Amerikanische Kunst aus drei Jahrhunderten, Ausstellungskat. Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln 2018.