Sektion 8: Material Agencies
Samstag, 30. März 2019, 11:45–12:15 Uhr, ZHG, Hörsaal 008
Markus Rath, Basel

Substanzaktivität. Ambiguität und Ausdruckspotential von Farbe in der Frühen Neuzeit

Vermeintliche Steinschnitte, Wolkennebel, Wasserwirbel, Lichtphänomene – in der frühneuzeitlichen Malerei finden sich zahlreiche Beispiele gleichsam ungegenständlicher Malerei. Für eine Epoche, deren Primat im unmittelbaren, wenngleich phantasievollen und auch ergänzenden Nachahmen der Natur gesehen wurde, passen Farbfelder und flüchtige Formen kaum in das Schema mimetischen Kunstschaffens. Dabei besitzen zahlreiche malerische „Nachahmungen“ von natürlichen Substanzen in ihren malerischen Evokationen eine offensive Ambiguität. Diese Strukturen entwickeln ein hintergründiges Eigenleben, das den Stoffen eine aktive Materialität zuweist, die formal als kennzeichnendes Resonanzfeld dient.
Formentzug und arbiträre Farbsetzung verweisen stets auch auf Gestaltungsmittel, Gestaltetsein und Ausdrucksvermögen des Malerischen. Die als Mittlerin begriffene Farbe erweist sich in unterschiedlichen Graden von ihrer Darstellungsbindung befreit, bis hin zur Präsentation von Farbe als substantielle Möglichkeit. Als fluide Materie, die unter den Händen des Künstlers zu jedweder Form entwickelt werden kann, nähert sie sich dem aristotelischen Begriff der hylē an. Aristoteles entwickelte im Gegensatz von Materie und Form die Idee der hylē als „Urstoff“, der durch die jeweilige technē in eine Gestalt überführt wird. Durch die Einführung von farbstofflichen Präsentationsfeldern wird in der frühneuzeitlichen Malerei auch auf diese Disposition zwischen hylē und technē verwiesen, indem die Farben des Bildes und die Formen des Bildes, als Parameter des Grundes und der Gestaltgebung, in verwandter Beziehung stehen.
Kurzbiografie Markus Rath
2008M.A., Humboldt-Universität zu Berlin
2008–2009Stipendiat der DFG-Kolleg-Forschergruppe „Bildakt und Verkörperung“, HU Berlin
2009–2012Wiss. Mitarbeiter der DFG-Kolleg-Forschergruppe „Bildakt und Verkörperung“, Leitung des Forschungsschwerpunktes „Das haptische Bild“
2009–2014Promotionsstudium an der HU Berlin („Die Gliederpuppe. Kult – Kunst – Konzept“)
2012–2014Assistent des Direktors am Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris
seit 2014Assistent für Frühe Neuzeit am Kunsthistorischen Seminar der Universität Basel
2015Abschluss der Promotion; Oberassistent für Frühe Neuzeit, Universität Basel (Habilitationsprojekt: „Expressive Renaissance. Emanation der Farbe und Suspension der Form“)
2016Organisatorische Leitung des 3. Schweizerischen Kongresses für Kunstgeschichte 2016 in Basel
seit 2017Vorstandsmitglied der Vereinigung der Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker in der Schweiz (VKKS/ASHHA)
Co-Sprecher des DFG-Netzwerks „Synagonismus in den Bildenden Künsten“
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Expressive Renaissance; Metaphorologie des Künstlers in der Frühen Neuzeit; bewegliche Skulptur/Gliederpuppen; intersensorielle Bildwahrnehmung; Paragone und Synagonismus
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Jörg Trempler und Iris Wenderholm) Das haptische Bild. Körperhafte Bilderfahrung in der Neuzeit (Actus et Imago. Berliner Schriften für Bildaktforschung VII), Berlin 2013.
  • (Hg. mit Joris van Gastel und Yannis Hadjinicolaou) Paragone als Mitstreit (Actus et Imago. Berliner Schriften für Bildaktforschung XI), Berlin 2014.
  • Vermessung des Körpers – Verortung der Seele. Die künstlerische Erkundung des Menschen in der Dürerzeit, in: Nur Gesichter? Porträts der Renaissance, Ausstellungskat. Tiroler Landesmuseum, Innsbruck 2016, S. 218–245.
  • Die Gliederpuppe. Kult – Kunst – Konzept (Actus et Imago. Berliner Schriften für Bildaktforschung XIX), Berlin/Boston 2016.
  • (Hg. mit Andreas Beyer und Étienne Jollet) Wiederholung/Répétition. Wiederkehr, Variation und Übersetzung in der Kunst, München 2018.