Sektion 6: Das Kunstwerk im Spannungsfeld von Kultur und Märkten
Freitag, 29. März 2019, 11:45–12:15 Uhr, ZHG, Hörsaal 104
Ksenia Stanicka-Brzezicka, Marburg

Gebrauchsobjekt – Kunstobjekt – Designobjekt. Wissenszirkulation, soziale Umwälzungen und technologischer Wandel in der europäischen Moderne

Heutiges Denken über „Design“ als ein formal und praxeologisch begründetes schöpferisches Handeln an der Schnittstelle von künstlerischen Entwerfen, technischem Planen, Arbeiten mit handgeführtem Werkzeug und industrieller Fertigung durch Maschinen lässt sich als (Aus-)Handlungsprozess der vielen, individuellen und kollektiven Akteuren verstehen. Design kann man als Prozess beschreiben, der Wissen und Objekte neu produziert, und somit keiner der häufig getrennt betrachteten Sphären zugehörig ist, aus denen die Akteure stammen. Es konstituiert neue Beziehungen zwischen Menschen, Maschinen und Objekten – und natürlich auch kulturelle Verhandlungsformen sowie widerstreitende Formen sozialen Habitus.
Entscheidend für den Designprozess ist auch die Frage nach der Rolle der Materialität und Materialgeschichte. Im Kontext eines gesteigerten Interesses für die Materialität und Topologie von Kultur können Analysen zur konstruktiven Rolle der materiellen Kultur bei der Herstellung sozialer Beziehungen, Verflechtungen oder auch Machtprozessen durchgeführt werden. Das aus den Geistes- und Sozialwissenschaften hervorgehende Fazit zur materiellen Kultur als Ausstattung einer Gesellschaft unter Einbeziehung der Rohstoffe, der Produktion sowie den Funktionswesen von Wissenschaften und Technologien und im Hinblick auf Beziehungen zwischen Dingen und Menschen ergänzt die kunsthistorischen Ansätze, bei denen das Materielle per se im Mittelpunkt steht.
Historisch lässt sich der Prozess bis in die Zeit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Das Handwerk erhielt mit seiner Verdrängung aus der Produktion von Gebrauchsgütern durch die Fabriken neue Bedeutungen und ethische Aufladungen. Bis in die Moderne überlagerten sich im entstehenden Industriedesign ökonomische und formale Impulse aus den Gebieten Kunst, Handwerk und der neu aufkommenden Industrie. Der Vortrag soll diese Fragen nicht nur methodisch innovativ und theoriegeleitet, aber auch fallstudienbasiert mit den Beispielen aus der mit Bezug auf den Reichszusammenhang als periphere Region erscheinende Kunst- und Industrielandschaft Schlesien reflektieren.
Kurzbiografie Ksenia Stanicka-Brzezicka
2004Promotion an der Uniwersytet Wrocławski („Schlesische Künstlerinnen um 1880–1945“)
2004–2013Wiss. Mitarbeiterin am Historischen Institut der Uniwersytet Wrocławski
2014–2017Projektkoordinatorin „Forschungsinfrastruktur Kunstdenkmäler in Ostmitteleuropa“, Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg
seit 2018Wiss. Mitarbeiterin (PostDoc), Herder Institute Research Academy, Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Digital Humanities; Kunst und Geschichte Ostmitteleuropas des 19. und der 1. Hälfte des 20. Jh.s; Handwerk, Gewerbe, Kunstgewerbe, Kunst und Industriegestaltung; visuelle Produktionsweisen und Praktiken in der Geisteswissenschaft; Gender Studies
Publikationsauswahl
  • Artystki śląskie ok. 1880–1945 [Schlesische Künstlerinnen um 1880 bis 1945], Toruń 2006.
  • (Hg. mit A. Seidel) Obraz i metoda [Image and Method], Breslau 2014.
  • (mit A. Seidel-Grzesińska) Wielojęzyczne słowniki hierarchiczne w dokumentacji muzealnej w Polsce, in: „Muzealnictwo” / „Museology” Narodowy Instytut Muzealnictwa i Ochrony Zbiorów 55 (2014), S. 169–179.
  • (Hg. mit J. Kolenda und A. Seidel) Dostrzec więcej. Wybrane zagadnienia wizualizacji danych w badaniach nad dziedzictwem kulturowym [To See More. Selected Issues of Data Visualization in the Cultural Heritage Studies], Breslau 2016.
  • (mit K. Jarmuł und J. Szeligowska) Artystki śląskie czy na Śląsku? Wystawa „Sztuka kobiet–kobiety w sztuce” w Muzeum Śląskim w Katowicach, in: Sztuka i dokumentacja 15 (2016): History of Women’s Art Exhibitions in Poland, S. 134–141.