Sektion 3: Modell-Architektur und Dominanzkultur
Donnerstag, 28. März 2019, 10:15–10:45 Uhr, ZHG, Hörsaal 008
Bruno Klein, Dresden

Funktionen von Modell-Architektur vor der Erfindung des Architekturmodells

Epistemologisch sind die Vorstellungen von der Genese des Architekturmodells zumeist funktional bestimmt: Zunehmende architektonische Planungsrationalität während des späten Mittelalters habe dazu geführt, dass Auftraggeber ihre Bauten vorab en miniature sehen wollten, bzw. dass Werkmeister ihre Projekte anhand solcher dreidimensionaler Modelle planten und am Ende beide Parteien mittels dieser Modelle ihre jeweiligen Vorstellungen zur Konvergenz brachten.
Diesen einfachen evolutionistischen Gedanken wird im theoretischen Konzept der Sektion eine komplexere Theorie gegenübergestellt, indem es Dispositive wie Dominanzkultur, Macht- und Deutungsansprüche etc. zu Architekturmodellen in Beziehung setzt. Zwar stehen dabei neuzeitliche und moderne Architekturmodelle im Fokus. Gleichwohl, bzw. gerade deshalb, erscheint es lohnend zu fragen, wie sich die mittelalterlichen „Architekturmodelle“ bezüglich der genannten Leitideen verhalten haben. Dabei gab es im Mittelalter eigentlich keine Architekturmodelle im modernen Sinne, jedoch zahlreiche, zumeist plastische Darstellungen von realen oder imaginierten Bauten, die bloß phänotypisch den jüngeren Architekturmodellen ähneln, aber andere Funktionen besaßen So dienten z. B. die architekturähnlichen Baldachine an gotischen Kirchenportalen über Heiligenfiguren dazu, evidente visuelle Verbindungen zwischen religiösem Geltungsanspruch und architektonischer Form zu erzeugen. Sie besaßen Vermittlungsfunktionen zwischen sakral und profan, zwischen Geschichte und Gegenwart, was auch für die architekturähnlichen Reliquienschreine galt.
Gab es Übertragungen von jenen „habituellen Architekturmodellen" des Mittelalters auf die realistischen aus Neuzeit und Moderne? Wurden beispielsweise religiöse Dominanzbehauptungen des vermeintlichen mittelalterlichen Architekturmodells auf das „echte“ Architekturmodell der Neuzeit übertragen? Und welche Kontinuitäten und Brüche sind zwischen Mittelalter und Neuzeit in Hinblick auf die Rolle des Architekturmodells als materiellem Medium erkennbar?
Kurzbiografie Bruno Klein
1975–1983Studium der Kunstgeschichte in Berlin, Paris, Köln und Bonn
1983–1985Stipendiat am Kunsthistorischen Institut in Florenz
1985–1991Akad. Rat am Kunsthistorischen Institut der Georg-August-Universität Göttingen
1991–1998Hochschuldozent an der Ruhr-Universität Bochum, Gast- und Vertretungsprofessuren an den Universitäten Bonn, Halle, Paris und São Paulo
seit 1999Professor für christliche Kunst der Spätantike und des Mittelalters an der Technischen Universität Dresden
seit 2000Mitglied bzw. Sprecher von internationalen Beiräten, SFBs und Graduiertenkollegs, des DFG-Fachkollegiums Kunst-, Musik-, Medien- und Theaterwissenschaften
Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kunst und Kunstgeschichte global, bes. Mittelalter und Mittelalterrezeption; Kunst des Mittelalters; Architekturgeschichte und -theorie
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Stefan Bürger und Katja Schröck): Werkmeister der Spätgotik, 2. Bd.e, Darmstadt 2009/2010.
  • Gotik – Bildkultur des Mittelalters von 1140 bis 1500, Potsdam 2012.
  • Simili ma diversi: perché esistevano a nord delle Alpi riproduzioni gotiche di architettura, ma non modelli gotici per l’architettura, in: Sabine Frommel und Raphaël Tassin (Hgg.), Les maquettes d’architecture, Paris/Rom 2015, S. 37–46.
  • (Hg. mit Henrik Karge): 1810 – 1910 – 2010: Independencias dependientes. Kunst und nationale Identitäten in Lateinamerika / Arte e identidades nacionales en América Latina / Art and National Identities in Latin America, Madrid/Frankfurt 2016.
  • Le développement des langages sur l’art et l’architecture dans l’Europe médiévale, in: Nishida Masatsugu et al. (Hgg.), L’idée d’architecture médiévale au Japon et en Europe, Brüssel 2017, S. 238–247.