Donnerstag, 24. März 2022, 14:30–18:30 Uhr, HP, Hörsaal 2.02

„Den schlechten Geschmack auf allen Gebieten bekämpfen“. Ästhetische Erziehung als Museumsaufgabe?

Leitung: Irmgard Müsch, Stuttgart / Maaike van Rijn, Stuttgart

Museen haben in Formfragen einen erzieherischen Auftrag und sollten diesen deutlich formulieren, sowie ihre Sammlungen und Ausstellungen entsprechend ausrichten: Darin waren sich viele kunsthistorische Fachleute und Museumsschaffende im Europa des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert einig. Zwar ging nicht jeder so weit wie der Direktor des Stuttgarter Landesgewerbemuseums Gustav E. Pazaurek (1865–1935), der mit seiner 1909 angelegten „Sammlung der Geschmacksverirrungen“ entschied, „den schlechten Geschmack auf allen Gebieten zu bekämpfen“, dennoch waren Themen um Geschmacksbildung und ästhetische Erziehung in Museen des 19. und 20. Jahrhunderts immer wieder Diskursgegenstand.

Die Sektion zur Rolle der Museen bei der gesellschaftlichen „Geschmacksbildung“ beschäftigt sich explizit mit einer musealen Perspektive und thematisiert generelle Überlegungen zum Museum als Ort der Erziehung des Publikums, aber auch Beispiele konkreter Institutionen und historischer Kontexte.

Die Beiträge geben zunächst einen Überblick zu Fragen nach erzieherischen Aspekten in musealen Leitbildern. Dabei stehen sowohl Museen als Orte mit gesellschaftlicher Mission als auch Beispiele einer eher ästhetisch motivierten „Geschmacksbildung“ im Vordergrund. Diese fand auch und gerade in der Kunstgewerbebewegung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in Zusammenhang mit Diskussion um gute Formgestaltung statt und schlug sich in der Anlage von umfassenden Vorbilder- und Mustersammlungen nieder.

Des Weiteren nehmen die Beiträge Fragen nach musealer „Gesellschaftserziehung“ in der deutschen Nachkriegszeit in den Blick. Beispiele konkreter Sammlungs- und Ausstellungspolitik einzelner Museen zeigen exemplarisch auf, wie Museen sich als offene Diskurs- und Verhandlungsorte verstehen und erzieherisch wirkende Räume gesellschaftskultureller Statements entwerfen.

Kurzbiografie Irmgard Müsch
1987–1999Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Neueren Geschichte in Mainz, Berlin und London (M.A. und Promotion)
1999–2000Volontärin am Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig
2001–2002Erstellung des Bestandskatalogs „Maleremail aus Limoges“ am Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig
seit 2003Kuratorin und Sammlungsleiterin für Uhren, wissenschaftliche Instrumente, Grafische Sammlung und Spielzeug am Landesmuseum Württemberg
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Uhren und wissenschaftliche Instrumente – Technik- und Sammlungsgeschichte; Kunstkammer; Sammlungsgeschichte von Gewerbemuseen; Museen – Geschichte, Gegenwart, Zukunft
Publikationsauswahl
  • Geheiligte Naturwissenschaft. Die Kupferbibel des Johann Jakob Scheuchzer, Göttingen 2000 (zugl. Diss. Berlin 1998).
  • Maleremail des 16. und 17. Jahrhunderts aus Limoges (Bestandskataloge des Herzog Anton Ulrich-Museum XI), Braunschweig 2002.
  • Augsburg als Marke – Uhren und wissenschaftliche Instrumente aus der Freien Reichsstadt, in: Die Schwaben. Zwischen Mythos und Marke, Ausst.-Kat. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart 2016, S. 244–253.
  • Wissenschaftliche Instrumente (inkl. Kat. Nr. 261–303; diese mit Jürgen Hamel), in: Die Kunstkammer der Herzöge von Württemberg. Bestand, Geschichte, Kontext, 3 Bd.e, Stuttgart 2017, S. 818–895.
  • (mit Jürgen Hamel) Die Sonnenuhren des Landesmuseums Württemberg Stuttgart, Bestandskatalog, Leipzig 2018.
Kurzbiografie Maaike van Rijn
2000–2005Studium der Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft in Tübingen und Leiden (NL)
2006–2010Doktorandin der Kunstgeschichte an der Universität Tübingen, Promotionsstipendiatin der Stiftung der deutschen Wirtschaft (SDW)
2011Promotion an der Universität Tübingen („Bildende Künstlerinnen im Berliner ‚Sturm‘ der 1910er Jahre“)
2011–2013Volontärin am Landesmuseum Württemberg in Stuttgart
2013–2014Freiberufliche Inventarisierungsarbeit für den Museumsverband Baden-Württemberg
seit 2014Kuratorin und Sammlungsleiterin für Mode, Textil und Neueres Kunsthandwerk vom 19. Jh. bis zur Gegenwart am Landesmuseum Württemberg in Stuttgart mit dem Modemuseum und dem Keramikmuseum in Schloss Ludwigsburg als Zweigmuseen
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Mode und Textilgeschichte; Kunst und Kunstgewerbe des frühen 20. Jh.s
Publikationsauswahl
  • Material, Marketing, Medium. Der Holzschnitt beim ‚Sturm‘, in: Henriette Herwig und Andrea von Hülsen-Esch (Hgg.): Der Sturm. Literatur, Musik, Graphik und die Vernetzung in der Zeit des Expressionismus, Berlin 2015, S. 299–316.
  • Stuttgart als moderne Metropole, in: Die Schwaben. Zwischen Mythos und Marke, Ausst.-Kat. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart 2016, S. 339–347.
  • (Hg. mit Raffaela Sulzer) Fashion?! Was Mode zu Mode macht. Begleitband zur Großen Landesausstellung im Landesmuseum Württemberg, Stuttgart 2020.