Sektion 6: Ästhetische Erziehung als Museumsaufgabe?
Donnerstag, 24. März 2022, 14:45–15:15 Uhr, HP, Hörsaal 2.02
Anna Frasca-Rath, Erlangen / Andrea Mayr, Wien / Luise Reitstätter, Wien

Öffentlichkeit entwerfen. Das Publikum formen. „Ästhetische Erziehung“ und „Geschmacksbildung“ als (dis-)kontinuierliche Motive musealer Leitbilder vom 19. bis ins 21. Jahrhundert

Das Museum sucht seine gesellschaftliche Mission – so ließe sich pointiert der aktuell stattfindende Prozess zur Neugestaltung der offiziellen Museumsdefinition durch das International Council of Museum (ICOM) beschreiben. So wird von der neuen ICOM-Definition konkret verlangt, dass ein Museum – ohne Abkehr von objektzentrierten musealen Kernaufgaben – das Bekenntnis abgibt, ein sinnstiftender Ort für ästhetische Erfahrung sowie eine offene Plattform für zivilgesellschaftlichen Austausch zu sein.

Die Diskussion um die adäquate Museumsdefinition zeigt, dass kulturpolitische Leitbilder das museale Denken und Handeln prägen, indem sie den aktuellen Zustand wie gleichsam die ideelle Zukunft zu erfassen versuchen. Eine solche funktionale Verknüpfung verbindet sich auch in Leitbildern von einzelnen Museen, da diese sowohl die institutionelle Beschreibung „wer wir sind“ als auch „wie wir sein möchten“ beinhalten. Mit den Fragen nach „wer ist angesprochen“ und „wer soll sich wie verhalten“ präsentieren sich museale Leitbilder – vom historischen Gründungsstatut bis zum aktuellen Mission Statement – zudem als zeitspezifische Entwürfe eines ideell geformten Publikums. Im Projekt „Recht auf Museum?“, das am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien angesiedelt ist, stehen museale Leitbilder als zentrale Dokumente der Öffentlichkeitskonzeption im Analysefokus. Als Fallbeispiele fungieren, gereiht nach ihrem Gründungsjahr, das Österreichische Museum für angewandte Kunst (1863), das Kunsthistorische Museum Wien (1891), die Österreichische Galerie Belvedere (1903), das Volkskundemuseum Wien (1895) und das Haus der Geschichte (2017).

Basierend auf institutionen- wie spartenübergreifenden Archivrecherchen, stellt der Vortrag die Frage nach den konkreten erzieherischen Aspekten in musealen Leitbildern. Eine Diskursanalyse zu den Motiven der „Ästhetischen Erziehung“ und „Geschmacksbildung“ zeichnet deren (dis-)kontinuierliches Vorkommen in musealen Leitbildern österreichischer Museen vom 19. bis ins 21. Jahrhundert nach. Im Sinne einer Praxiswirksamkeit von Diskursen formt sich das Museum als öffentliche Institution mit Mission über diese Diskurse selbst wie auch sein Publikum. Als übergeordnete Frage bleibt, wie historische Stränge, aber auch Veränderungen im Laufe der Zeit im Hinblick auf aktuelle Identitäts- und Zukunftsfragen des Museums zu deuten sind.
Kurzbiografie Anna Frasca-Rath
2011–2013Doktorandenstipendium an der Bibliotheca Hertziana, Rom
2013–2015 Univ.-Assistentin (prae-doc) am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
2015Promotion an der Universität Wien („John Gibson. Die Canova Rezeption in der British-Community in Rom“)
2015–2016Externe Kuratorin der Ausstellung „John Gibson. A British Sculptor in Rome“ an der Royal Academy of Arts, London; Kuratorin der virtuellen Ausstellung „The Gibson Trail“ in Kooperation mit dem Austrian Centre for Digital Humanities-ÖAW, Wien
seit 2015Gründerin und Vorstandsmitglied des Netzwerks für Digitale Kunstgeschichte in Österreich (www.darthist.at)
2015–19Univ.-Assistentin (post-doc) am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
seit 2019Wiss. Mitarbeiterin am Institut für Kunstgeschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
seit 2020Wiss. Mitarbeiterin / Leiterin des kunsthistorischen Teilbereichs im Projekt „Recht auf Museum. Recht auf Museum?“ am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Museum Studies; Geschichte und Theorie der Skulptur; 19. Jh.; digitale Kunstgeschichte; Künstlermythen
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Annette Wickham) John Gibson R.A. A British Sculptor in Rome, Ausst.-Kat. Royal Academy of Arts, London 2016.
  • John Gibson & Antonio Canova. Rezeption, Transfer, Inszenierung, Wien 2018.
  • (Hg. mit Hans Christian Hönes) Modern Lives – Modern Legends: artist anecdotes since the eighteenth century (Journal for Art Historiography 23), 2020.
Kurzbiografie Andrea Mayr
2014–2016Wiss. Projektmitarbeiterin (prae-doc) im vom Jubiläumsfonds der OeNB geförderten Forschungsprojekt „Ge(l)ehrte Köpfe – Ikonographie und Stellenwert der Denkmäler im Arkadenhof der Universität Wien“ am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
2014–2020Doktoratsstudium der Philosophie (Kunstgeschichte) an der Universität Wien
2016–2020Wiss. Projektmitarbeiterin im Rahmen des Stipendienprogramms der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (DOC) am Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien
2020Promotion an der Universität Wien („Kaiser Ferdinand I. (1793–1875) und die Medaille. Die Medaillenproduktion zwischen 1835–1848 im kunsthistorischen und historischen Kontext“)
2020–2021Wiss. Mitarbeiterin im vom Jubiläumsfonds der OeNB geförderten Forschungsprojekt „Recht auf Museum?“ am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kunst- und Kulturpolitik in Wien im 19. Jh.; Medaille im 19. Jh.; Biedermeier und Klassizismus; habsburgische Herrschaftsrepräsentation in visuellen Medien; Porträt in Skulptur und Plastik
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Ingeborg Schemper-Sparholz, Julia Rüdiger und Martin Engel) Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa (Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte LXIII/LXIV), Wien 2017.
  • Innerösterreich seinen Gewerben. Preismedaillen der Innerösterreichischen Industrie- und Gewerbeausstellungen im Vormärz, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Landeskunde und Denkmalpflege Oberösterreich 163, Linz 2018, S. 187–219.
  • Rudolf von Eitelberger und Joseph Daniel Böhm: Zur Frühzeit der Kunstgeschichte in Wien, in: Eva Kernbauer et al. (Hgg.): Rudolf Eitelberger von Edelberg. Netzwerker der Kunstwelt, Wien/Köln/Weimar 2019, S. 49–68.
  • Picturing Empress Maria Anna of Savoy (1803–1884): Medals as a form of representation and communication, in: Marion Romberg (Hg.): Empresses and Queens in the Courtly Public Sphere from the 17th to the 20th Century, Leiden/Boston 2021.
  • Hof-Medaillen Kaiser Ferdinands I. von Österreich (reg. 1835–1848) – Konzeption, Funktion und Stellenwert, in: Regina Kaltenbrunner / Salzburg Museum (Hgg.): Barockberichte 2018, Salzburg 2021, S. 121–131.
Kurzbiografie Luise Reitstätter
2000–2004Studium der Kommunikationswissenschaft, Kunstgeschichte, Philosophie, Theater-, Film- und Medienwissenschaft und Spanisch in Wien
2005–2010Tätigkeit im internationalen Kunstbetrieb, u. a. Akademikertraining Generali Foundation, kuratorische Assistenz documenta 12, Projektkoordination Österreich Pavillon, La Biennale di Venezia 2008 und 2009
2010–2013Promotion im Doktoratskolleg „Kunst und Öffentlichkeit“ am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst der Universität Salzburg/Mozarteum („Objekte, Subjekte, soziale Situationen. Eine praxistheoretische Studie zur Ausstellung als Handlungsraum“)
2013–2014Freie Kuratorin, Lektorin an der Universität Salzburg
2015–2017Wiss. Mitarbeiterin an der Universität für angewandte Kunst Wien
seit 2017Leitung des Labors für empirische Bildwissenschaft am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Praktiken der zeitgenössischen Kunst; Museologie und Ausstellungstheorie; Methoden der empirischen Sozialforschung
Publikationsauswahl
  • Die Ausstellung verhandeln. Von Interaktionen im musealen Raum, Bielefeld 2015.
  • (mit Florian Bettel) Right to the City! Right to the Museum!, in: Helena Barranha und Susana S. Martins (Hgg.): UNCERTAIN SPACES. Virtual Configurations in Contemporary Art and Museums, Lissabon 2015, S. 159–182.
  • (Hg. mit Nadja Al Masri-Gutternig) Leichte Sprache. Sag es einfach. Sag es laut!, Salzburg 2017.
  • Going Radical in Museum Space? Inclusive Strategies that Challenge the Institution’s Core, in: London Journal of Critical Thought 3 (1), 2019, S. 74–87.
  • (mit anderen) The Display Makes a Difference: A Mobile Eye Tracking Study on the Perception of Art Before and After a Museum’s Rearrangement, in: Journal of Eye Movement Research 13, 2/2020, Article 6.